Das Cannabisgesetz (CanG) – sind wir Eltern dafür oder dagegen?

Standpunkte

Bundesregierung verändert mit dem Gesetz die Rahmenbedingungen bei der Erziehung und Begleitung unserer Kinder in ihrem Umgang mit dem Suchtmittel Cannabis.

Die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Kinder im Laufe ihres Heranwachsens illegale Substanzen konsumieren, liegt in Deutschland statistisch gesehen bei 50 Prozent! Kein Wunder also, dass der Umgang mit dem Cannabis-Konsum unserer Kinder eines der TOP-Erziehungsthemen ist. Wir Eltern sind hoch betroffen von den Folgen, die das Gesetz haben wird. Es ist naiv anzunehmen, dass mit diesem Gesetz die vorhandenen Probleme für uns Eltern und unsere Jugendlichen gelöst sind, nur weil man die Abgabegrenze auf über 18 Jahre setzt und ein paar Jugendschutzmaßnahmen formuliert.

Für und Wider des Gesetzesvorhabens

Wir Eltern sehen große Nachteile durch die bisherige Prohibitionspolitik in Deutschland. Es ist durch diese Politik nicht gelungen, die Drogen zu verdrängen. Das hatten wir Eltern und Angehörige viele Jahrzehnte gehofft und waren deshalb eher für die Prohibition. Aber nach unserer leidvollen Erfahrung in 50 Jahren organisierter Elternselbsthilfe hat die Prohibition unsere Hoffnungen nicht erfüllt: Die Verfügbarkeit von Drogen und der Drogenkonsum sind verbreiteter denn je, und durch die Illegalität sind neue Probleme entstanden, von denen nicht nur unsere Kinder betroffen sind, sondern auch wir Eltern. So probieren unsere Kinder Drogen aus, die sie auf dem Schwarzmarkt kaufen und deren Qualität unbekannt ist. Auf diese Weise spielen unsere Kinder derzeit russisches Roulette mit ihrer Gesundheit. Weiterhin ist es durch die Illegalität zu einer Tabuisierung der Substanzen und zu einer Stigmatisierung der Konsumenten und Konsumentinnen gekommen. Wir und unsere Kinder kennen uns mit den Substanzen nicht gut aus und haben keine Konsumkompetenz vermittelt bekommen, weil eine offene, tabufreie Prävention durch die prohibitiven Gesetze nicht ermöglicht wird. Eine Folge der Stigmatisierung ist eine unzureichende Unterstützung sowohl von unseren in missbräuchlichen Konsum geratenen Kinder als auch von uns Eltern und dem ganzen Familiensystem (siehe dazu auch unseren Beitrag zur Stigmatisierung und ihren Folgen).

Gleichzeitig machen wir uns große Sorgen, dass eine schlecht durchgeführte Legalisierung dazu führt, dass unsere Kinder mehr konsumieren und dass die daraus resultierenden Erkrankungen weiter zunehmen. Das Hilfesystem ist jetzt schon nicht ausreichend für die Versorgung der Suchterkrankungen aufgestellt. Dies gilt besonders für die Doppeldiagnosen Sucht und Psychose und Sucht und Depression, welche die häufigsten Krankheitsbilder in unseren Selbsthilfekreisen sind.

Was ist uns beim Gesetzesvorhaben wichtig?

Am 21. November 2022 haben die Verbände der Eltern- und Angehörigenselbsthilfe (Bundesverband der Elternkreise suchtgefährdeter und suchtkranker Söhne und Töchter [BVEK] e.V., die Baden-Württembergische Landesvereinigung der Eltern-Selbsthilfe Suchtgefährdeter und Suchtkranker e.V., der Landesverband der Elternkreise Berlin-Brandenburg EKBB e.V., der Landesverband der Elternkreise Drogenabhängiger und -gefährdeter Niedersachsen [LED] e.V. und die Arbeitsgemeinschaft der Rheinisch-Westfälischen Elternkreise drogengefährdeter und abhängiger Menschen [ARWED] e.V. in Nordrhein-Westfalen) dazu ein Forderungspapier veröffentlicht und am 29. März 2023 auch Burkhard Blienert, unserem Sucht- und Drogenbeauftragten, persönlich übergeben. Darin fordern wir:

Forderungspapier unterschiedlicher Selbsthilfeverbände zum Gesetzesvorhaben zur kontrollierten Cannabisabgabe.
Lesen Sie hier das vollständige Forderungspapier.

Wie steht es um die Berücksichtigung unserer Forderungen im Cannabisgesetz (CanG)?

Der vorliegende Gesetzesentwurf entlastet in seiner jetzigen Fassung uns Eltern nicht beim Umgang mit dem Suchtmittelkonsum unserer Kinder und trägt nicht dazu bei, die gesundheitlichen Risiken unserer Kinder auf dem Weg in das Erwachsenenalter zu minimieren.

Schlechte Rahmenbedingungen und gekürzte Mittel

Es finden sich zwar Regelungen und Maßnahmen zum Kinder- und Jugendschutz und zur Prävention, aber keine der von uns Eltern- und Angehörigenverbänden genannten Rahmenbedingungen wurden parallel zum Gesetzesvorhaben für uns erkennbar initiiert! Bei der Prävention wurden die Mittel im Bundeshaushalt gekürzt, auch wenn im Nachtragshaushalt hier leichte Verbesserungen geplant sind. Das halten wir angesichts der bereits bestehenden Minderversorgung und dem derzeit zu beobachtenden Abbau der stationären und ambulanten Suchthilfe in den Ländern und auf kommunaler Ebene für grob fahrlässig!

Die Rolle von Polizei, Ordnungsamt und Jugendämtern?

Besonders kritisch sehen wir die Regelung, die derzeit in § 7, Absatz 3, CanG formuliert ist. Demnach sollen Polizei oder Ordnungsamt, wenn sie feststellen, dass Jugendliche unter 18 Jahren Cannabis konsumieren, die Eltern beziehungsweise die Erziehungsberechtigten darüber informieren. Sollten sich, wie es heißt, gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls der Jugendlichen ergeben, wird das Jugendamt informiert – es soll darauf hinwirken, dass Jugendliche eine Frühinterventionsmaßnahme in Anspruch nehmen. Wir Eltern befürchten, dass die vorgesehene Regelung in den Bundesländern, die das Gesetz umsetzen müssen, je nach Grundhaltung der dortigen Regierungen zu dem Thema Sucht und dem Suchtmittel Cannabis höchst unterschiedlich gehandhabt wird. Weiterhin befürchten wir, dass die vorgesehenen Regelungen in den Händen von Menschen liegen, die amtshalber die Regelung vor Ort umsetzen, aber keine qualifizierte Ausbildung zu dem komplexen und hochsensiblen Thema Sucht und der Situation der Angehörigen haben. Als Konsequenz dieser Regelung befürchten wir zudem, dass unsere Kinder, aber auch Eltern, Lehrer etc. den Cannabiskonsum weiterhin verbergen, vertuschen und tabuisieren, da das scharfe Schwert des Jugendamts mit ggf. erheblichen Konsequenzen droht – nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns Eltern hinsichtlich des drohenden Entzugs des Sorgerechts. Das steht im Widerspruch zu unseren Hoffnungen auf eine bessere Prävention und einen offeneren Umgang mit dem Probierkonsum unserer Kinder nach der Legalisierung.

Unverständlich für uns auch, dass der Jugendschutz bei den legalisierten Suchtmitteln so unterschiedlich ausgestaltet ist und die Regelungen undurchsichtigerweise auf mehrere Gesetze verteilt sind.

Wie sollen wir Eltern unseren Kindern und uns selbst erklären, dass der Konsum einer Substanz wie Alkohol, die die meisten Drogentoten in Deutschland fordert, begleitet unter 16 Jahren und ab 16 Jahren auch öffentlich ok ist, wogegen das Rauchen von nikotinhaltigen Suchtstoffen und zukünftig der Konsum von Cannabis vor der Altergrenze von 18 Jahren nicht ok ist? Solange es in Deutschland keinen umfassenden Rahmen für die Suchtprävention und den Jugendschutz gibt, der die bestehenden Regelungen in Einklang bringt, und kein entsprechend unseren Forderungen ausgestaltetes Präventionskonzept, ist für uns Eltern nichts in Ordnung. Die Drogendealer reiben sich Hände, denn unsere Kinder sind weiter ihre Kunden von heute und morgen. Wir Eltern hängen, mit inkonsequenten Geboten und Verboten für unsere Kinder und für uns Eltern mit Pflichten bis Sanktionen versehen, mitten im munter konsumierenden Rest der Gesellschaft – also noch mehr als bisher zwischen allen Stühlen.

Nicht nur wir Eltern, sondern viele Akteure tragen die Verantwortung für die Gesundheit unserer Kinder (zum Beispiel Schulen, Ausbildungsbetriebe, Sporttrainer etc.). Wie war das noch? Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen …

Unser Fazit: Das Gesetz bringt keine Verbesserung unserer Situation, sondern verstärkt unser Dilemma als Eltern! Unser Appell: Suchtpolitik – mit uns statt über uns hinweg gestalten!

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