Mit dem diesjährigen Motto des Gedenktags soll daran erinnert werden, dass ein einschneidendes Ereignis wie eine Überdosierung sowie der Tod durch Drogenkonsum – auch aufgrund von Langzeitfolgen verursacht durch HIV und Hepatitis – jeden und jede betreffen kann.
Betroffen sind auch wir Eltern sowie alle Zugehörigen wie Partnerinnen und Partner, der Freundeskreis sowie Mitarbeitende im Hilfesystem und auch Bekannte wie zum Beispiel Nachbarn, die jemanden kannten, der an den Folgen einer Überdosierung verstarb.
Im letzten Jahr musste ein trauriger Höchststand der drogenbedingter Todesfälle für das Jahr 2023 gemeldet werden. Die vorläufigen, noch nicht veröffentlichten Zahlen des Bundeskriminalamts, weisen laut der Presseveröffentlichung des Beauftragten der Bundesregierung für 2024 zwar darauf hin, dass die Zahl der Todesfälle gegenüber 2023 um 4 % leicht gesunken ist – aber für uns Eltern hat die Dramatik dennoch zugenommen: Aus den Zahlen lasse sich ablesen, dass immer mehr unserer Kinder bereits in jungen Jahren sterben. Auf diese Entwicklung hatten wir bereits im letzten Jahr hingewiesen, weil immer mehr Fälle aus unseren Elternkreisen bundesweit zurückgemeldet wurden – auch wenn die offizielle Statistik diese Entwicklung leider noch nicht wiedergab. So seien 2024 die Todesfälle bei jungen Konsumenten unter 30 Jahren gegenüber dem Vorjahr um 14 % angestiegen. Quelle
Schaut man auf die Todesursachen, sei ein sprunghafter Zuwachs an Todesfällen in Verbindung mit synthetischen Opioiden und neuen psychoaktiven Stoffen (sogenannte NPS) zu verzeichnen sowie eine wachsende Zahl von Mischkonsumenten erkennbar.
Hinter diesen Zahlen stehen Gesichter. Hinter jedem Schicksal eine Familie. Hinter jedem frühen Tod ein Hilfesystem, das zu spät, zu wenig oder zu kurz greift.
Ein toxischer Cocktail – synthetische Substanzen und gefährlicher Mischkonsum
Besonders alarmierend ist der Anstieg von Todesfällen durch synthetische Opioide, neue psychoaktive Stoffe und Mischkonsum. Benzodiazepine – Medikamente mit beruhigender Wirkung – werden zunehmend missbräuchlich konsumiert, oft in Kombination mit Alkohol, Heroin oder Kokain. Viele Jugendliche wissen nicht, dass sie damit ihr Leben riskieren. Noch weniger wissen wir Eltern, wie schnell aus vermeintlich harmlosen Experimenten eine tödliche Dynamik entstehen kann.
Was wir als Eltern fordern
Wir von fragEltern erleben täglich, was es bedeutet, mit der Sorge und oft der Ohnmacht zu leben, das eigene Kind im Suchtstrudel zu verlieren. Aber wir wissen auch, was Abhilfe schaffen kann.

Substanzpolitik realistisch gestalten
Wer Drogentote verhindern will, muss die Realität ernst nehmen. Dazu gehören insbesondere für unsere Jugendlichen:
- ein niedrigschwelliger Zugang zu Hilfen,
- mehr Aufklärung über Mischkonsum,
- Drugchecking-Angebote,
- Forschung und Versorgungskonzepte zu synthetischen Substanzen sowie
- Maßnahmen, um Jugendliche besser vor Medikamentenmissbrauch zu schützen.

Systematische Einbindung der Angehörigen in Prävention, Beratung und Therapie – nicht erst dann, wenn es zu spät ist.
Systemisch-familienorientierte Konzepte wie das Bundesmodellprojekt FRiDA, zeigen modellhaft, wie elterliche Perspektiven bei frühem Konsum von Jugendlichen berücksichtigt werden können. Die Einbeziehung der ganzen Familie wird zwar von immer mehr Beratungsstellen bundeweit umgesetzt, wird aber noch nicht flächendeckend realisiert und vor allem nicht finanziert.

Prävention neu denken
Prävention, die Jugendliche erreicht, muss in ihren Lebenswelten stattfinden: in Schule, Familie, Freizeit. Elterliche Unterstützung muss gerade in der Pubertät Hand in Hand gehen mit schulischer Gesundheitsförderung und kommunalen Präventionsangeboten. Statt auf punktuelle Einzelmaßnahmen zu setzen, sollten sich Kommunen in Präventionsnetzwerken verbinden, um präventive Maßnahmen zu treffen.

Als Gesellschaft mit den Eltern bei der Erziehung „an einem Strang“ ziehen, statt Schuldzuweisung
Niemand ist „schuld“ an einer Suchterkrankung – und doch werden Eltern allzu oft stigmatisiert oder aus dem Hilfeprozess ausgeschlossen. Wir benötigen eine neue Kultur des Hinschauens und Verstehens auch der Lebenswelt der Eltern und Familien in Deutschland. Gebraucht wird ein gesellschaftliches Umfeld, das in der Begleitung unserer Jugendlichen von der Pubertät ins Erwachsenenalter unterstützend wirkt, statt sie allein in einer konsumierenden Gesellschaft gegen Windmühlen kämpfen zu lassen.
Wir gedenken. Und wir fordern.
Am 21. Juli trauern wir mit allen, die einen Menschen aus ihren Reihen verloren haben. Doch wir bleiben nicht in der Trauer stecken. Wir fordern politische Verantwortung und gesellschaftliches Umdenken. Damit Jugendliche nicht an der Sucht zerbrechen – und Familien nicht an ihrer Ohnmacht.