Vom Kampf um eine bessere Suchtversorgung

Aktion

Mandy Jörgensen reichte eine Petition für eine bessere Suchthilfe ein, weil ihr Sohn Bruce an seiner Sucht gestorben ist. Kein Einzelfall, sondern das Ergebnis einer nicht funktionierenden Versorgung.

Mandy Jörgensen ist eine Mutter aus Schleswig-Holstein. Ihr Sohn Bruce begann mit 13 Jahren, Cannabis zu konsumieren. Später kamen Ecstasy und andere Drogen hinzu. Mit 15 war sein Leben aus den Fugen. 2023 verstarb er mit 20 Jahren an einer Überdosis Benzodiazepinen, die er seit dem Corona-Lockdown 2020 extrem konsumierte. Das traurige Ende einer Leidensgeschichte – leider kein individueller tragischer Einzelfall, sondern das Ergebnis einer nicht funktionierenden Versorgung unserer drogensüchtigen Jugendlichen sowie mangelnder Unterstützung der verzweifelt um Hilfe bemühten Eltern. Seit Langem bekannt, von vielen Experten und auch von uns Eltern seit Jahren angeprangert und angemahnt. Wie wir von fragEltern wollte auch Mandy Jörgensen die Dinge nicht ohnmächtig auf sich beruhen lassen, sondern wurde politisch aktiv.

Mandy und Holger Jörgensen vor dem Landtag Schleswig-Holstein
Mandy und Holger Jörgensen am 5. November 2024 vor dem Landtag Schleswig-Holstein

Große Hoffnungen

2024 reichte Mandy Jörgensen eine Petition für eine bessere Suchthilfe in ihrem Bundesland ein. Zwei Dinge forderte sie darin: „Flächendeckend ausreichende Kapazitäten in der stationären und ambulanten Suchthilfe für Jugendliche und junge Menschen“ sowie „Verordnungen von Opioiden und Benzodiazepinen nur noch über entsprechende Betäubungsmittelrezepte“. Wir alle haben Mandy Jörgensen dabei unterstützt, denn ihr Vorgehen hat Modellcharakter. Wir erhofften uns, dass ähnliche Eingaben in anderen Bundesländern ebenfalls zum Erfolg führen und sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene endlich etwas in Bewegung kommt: dass zum Beispiel ausreichend Klinik- und Therapieplätze für unsere Heranwachsenden zur Verfügung gestellt werden, wie dies schon lange von führenden Suchtärzten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wie zum Beispiel Prof. Thomasius, gefordert wird (Suchtkranke Kinder und Jugendliche schlecht versorgt, Deutsches Ärzteblatt). Und dass wir Eltern ernst genommen und auf dem Weg durch die Drogensucht unserer Kinder umfassend begleitet werden.

Presseclipping zur Petition von Mnady Jörgensen vor dem Landtag Schleswig-Holstein
Die Berichterstattung in der Tagespresse war überwältigend

Große Enttäuschungen

Die Anhörung war hinsichtlich der Antworten des Gesundheitsministeriums leider ein Desaster! So hieß es: „Es gibt Hilfe genug …“, „Nicht zuständig …“, „Die Verantwortung hat jemand anderes …“, „Da kann man halt nichts machen …“

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Inzwischen hat die Behörde die Antworten, die sie in der Anhörung nicht geben konnte, schriftlich nachgereicht.

Fragwürdige Antworten

Die Schwierigkeit von Bruce Jörgensen, Unterstützung in einer Beratungsstelle zu finden, sei nicht nachzuvollziehen, denn die Beratungsstellen seien rund um die Uhr erreichbar. Da fragen wir uns als Eltern: Was nutzt die Erreichbarkeit, wenn das Kind keine Hilfe will? Und stimmt diese Aussage überhaupt? Die Erfahrungen von uns Eltern mit der Erreichbarkeit der Beratungsstellen und mit der Hilfe im Notfall sind deutschlandweit andere!

Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Bruce trotz eines richterlichen Unterbringungsbeschlusses und ohne Anhörung der die Einweisung begleitenden Eltern nicht aufgenommen hatte, zieht sich auf die Rechtslage zurück, dass aus ihrer Sicht keine akute Fremd- oder Eigengefährdung vorgelegen habe. Ärzte der Kinder- und Jugendpsychiatrien können sich nur auf Basis ihrer Einschätzung im Aufnahmegespräch mit dem minderjährigen Sohn und seinem dort geäußerten nicht vorhandenen Behandlungswillen über einen richterlichen Beschluss hinwegsetzen? Das soll die aktuell gültige Rechtslage sein?

Kein Leistungsbereich Sucht im Krankenhaus

Sehr besonders in der Antwort des Ministeriums ist die Argumentation, die Möglichkeit des neuen Krankenhausplans, einen „Leistungsbereich Sucht“ zu definieren, nicht nutzen zu wollen. Sie befürchten, dass sich keine oder nur wenige KJPs (Kinder- und Jugendpsychiatrien) bereit erklären würden, diesen Leistungsbereich zu übernehmen, und dass die Versorgung schlechter werden würde als bisher, weil aktuell die Indikation in den Psychiatrien einfach mitbehandelt wird.

Bürokratischer Aufwand zu hoch

Auch die Stellungnahme des Ministeriums zur Verschreibungspraxis und Kontrolle der Verschreibungspraxis von Benzodiazepinen auf Basis der Bewertung des Vorgangs durch die Ärztekammer Schleswig-Holstein ist ein Schlag ins Gesicht der Eltern: Demnach wird die „engere Steuerung“ der Verordnung von Arzneimitteln wie Benzodiazepinen zwar als sinnvoll erachtet, es gelte aber auch, den immensen bürokratischen Aufwand zu beachten.

Wir bleiben kämpferisch

Die Antworten des Gesundheitsministeriums in Schleswig-Holstein sind enttäuschend und senden keine Botschaft, die eingeholten Antworten selbst kritisch zu hinterfragen und Handlungsbedarf aufzuzeigen. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die Politik in Schleswig-Holstein will die Sache nicht auf sich beruhen lassen – der Petitionsausschuss wird sich noch einmal treffen. Im Januar 2025 hat Mandy Jörgensen eine weitere Petition im Bundestag eingereicht. Darin fordert sie eine Dokumentationspflicht von Privatrezepten für Benzodiazepine, Opioide und sogenannte Z-Drugs.

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Mandy Jörgensen erklärt ihre Bundestags-Petition in ihren Instagram-Storys.

Auch wir geben nicht auf, wir von fragEltern bleiben politisch aktiv und werden uns weiterhin bundesweit um die Verbesserung der Versorgungslage kümmern. Unser Ziel ist, den gordischen Knoten der unzureichenden Versorgungsstrukturen für die Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsene (inklusive komorbider psychiatrischer Störungsbilder) endlich zu zerschlagen! Dazu gehen wir in Kontakt zu Fachverbänden, um gemeinsam mit ihnen ressort-, berufs- und expertenübergreifend die auf vielen Ebenen notwendigen Handlungsschritte zu definieren und notwendige Änderungen und Klärungen auf den Weg zu bringen. Mandy Jörgensen ist dabei und unterstützt unsere Arbeit.

 

Spiegelredakteurin Heike Klovert begleitet Mandy Jörgensen bei ihrem Bericht, wie sie ihr einziges Kind verloren hat. Und wie jetzt darum kämpft, dass anderen Eltern dieses Schicksal erspart bleibt. Zum abopflichtigen Spiegel+ Artikel

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Wir von fragEltern setzen uns ehrenamtlich und mit Herzblut für Verständnis und Unterstützung im Bereich Drogensucht ein. Wichtige Projekte, wie zum Beispiel unsere öffentlichen Kampagnen, unsere Arbeit des politischen Einmischens oder eigene Evaluierungen und Veröffentlichungen sind aber sehr aufwendig und erfordern entsprechende Mittel. Die uns in der Selbsthilfe zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten für unsere Initiative reichen dafür leider nicht aus.

Ihre Spende ermöglicht es uns, weiterhin aus unserer Elternperspektive aufzuklären, Orientierung zu bieten und politische Forderungen für eine verbesserte Versorgung einzubringen. Jeder Beitrag bringt uns einen Schritt näher zu einer Gesellschaft, die Familien in dieser herausfordernden Situation stärkt und unterstützt.

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