Selbsthilfe gibt neuen Mut und neue Kraft

Erfahrungen

In unseren Eltern- und Angehörigenkreisen von drogenkranken und drogengefährdeten Menschen gilt der Grundsatz: Betroffene helfen Betroffenen. Wir wissen aus eigener Erfahrung genau, worum es geht.

Wir Eltern und auch andere Angehörige treffen uns regelmäßig und tauschen uns aus. Das tut gut, denn so fühlt man sich nicht länger isoliert. Man erkennt, dass man mit seinen Problemen nicht allein ist, dass es Menschen gibt, die in einer ähnlichen Situation stecken und es schaffen, irgendwie damit zurechtzukommen. In unseren Gruppen findet jeder Verständnis für die täglichen Sorgen und Ängste. Wir helfen uns durch Zuhören und Erfahrungsaustausch, unsere eigene Ratlosigkeit und Furcht zu überwinden. Aber wir lachen auch gemeinsam und genießen das Gefühl, aufgehoben zu sein. Dabei respektieren wir natürlich den Wunsch nach Anonymität – wir geben grundsätzlich keine Informationen weiter, auch nicht über teilnehmende Personen und deren Familien. Aber eines ist wichtig und sollte nicht vergessen werden: Eltern- und Angehörigenkreise können und sollen eine professionelle Hilfe nicht ersetzen. Aber wir als Betroffene wissen selbst am besten, was es heißt, mit den Gefühlen und Problemen, die die Drogensucht unserer Kinder mit sich bringt, zu leben. Und wie es gelingen kann!

Entlastung und Stärkung

Ein Besuch der Selbsthilfegruppen bietet die Chance, neuen Mut und neue Kraft zum Leben zu finden, die eigenen Bedürfnisse wieder in den Vordergrund zu stellen. In der Gruppe ist man mit der eigenen Situation nicht mehr allein, man findet Aufmerksamkeit und bekommt Kontakt zu Menschen, die gerade Ähnliches durchmachen. Die verstehen, wie man sich fühlt. Der Informationsaustausch hilft uns allen, zu erkennen, was Sucht eigentlich bedeutet. Und die Betrachtung des eigenen Verhaltens kann dazu führen, die Einstellung gegenüber dem Suchtkranken – unserem Kind – zu verändern.  

Treffpunkt Hoffnung

Unsere Gruppen treffen sich regelmäßig – meist im 14-tägigen oder monatlichen Rhythmus, überwiegend abends in festen Gruppenräumen. Die Gruppengröße ist von Kreis zu Kreis sehr unterschiedlich, in der Regel sind es aber eher kleinere Gruppen mit 8 bis 15 Personen. Die Gruppen moderieren sich selbst. Entweder übernimmt ein Gruppenmitglied diese Rolle, oder die Moderation geht reihum. Manche Gruppen bieten fallweise auch die Unterstützung durch professionelle Drogen- oder Familientherapeut*innen oder laden Expert*innen aus der Kommune zu ihren Treffen ein, um sich über die Krankheiten und mögliche Hilfen für sich und ihre Betroffenen zu informieren. Das hilft natürlich auch, sich mit dem Hilfesystem besser zu vernetzen. Gemeinsame Freizeitaktivitäten und Fortbildungen werden mitunter ebenfalls angeboten.

Darüber hinaus ist es möglich, über die Gruppen an den Wochenendveranstaltungen des Landesverbands ARWED teilzunehmen. Hier können sich die Teilnehmenden intensiv mit anderen betroffenen Eltern und Angehörigen austauschen, bekommen hilfreiche Informationen für die eigene Situation und können außerhalb der eigenen vier Wände einfach mal ihre Batterien aufladen. Die Seminarkosten sind dank der Selbsthilfeförderung der Krankenkassen sehr niedrig. Hier geht’s zu den Veranstaltungen.

Zum Hintergrund: In unserer Arbeitsgemeinschaft der Rheinisch-Westfälischen Elternkreise drogengefährdeter und abhängiger Menschen in NRW (ARWED) bündeln wir unsere Ressourcen im Landesverband, damit wir uns die Hilfe und Unterstützung holen können, die wir brauchen.

Bei aller Sorge, Not und Verzweiflung

Für alle Angehörigen, die sich (noch) scheuen, einen Selbsthilfekreis aufzusuchen, hier ein paar wichtige Punkte im Umgang mit drogenkranken und drogengefährdeten Menschen: 

Zugehört

Was sagen eigentlich diejenigen zum Thema Selbsthilfe, die sich damit auskennen? Also Eltern, die einen Selbsthilfegruppe besuchen, oder Menschen, die in der Beratung tätig sind? Hier ein paar Stimmen.

Warum mir die Selbsthilfe wichtig ist

Meine Tochter (19) konsumiert seit ihrem 18. Lebensjahr verschiedene Drogen. Bei uns zu Hause hat das zu großen Konflikten geführt, unter anderem ist meine Tochter auch gewalttätig gegen mich geworden und hat zudem Teile der Wohnung zerstört. Zur Schule gegangen ist sie auch nicht mehr. Ich bin alleinerziehend und war völlig verzweifelt. Ich habe gemerkt, dass ich diese Probleme nicht allein lösen kann, und versucht, mir Hilfe zu holen. Deshalb habe ich zur Drogenberatung, zum Jugendamt und zur Frauenberatungsstelle Kontakt aufgenommen. Dort hat man mir gesagt, dass es zurzeit keine Termine gibt und erst Wochen oder sogar Monate später ein Termin frei wäre. Das hat mich noch mehr runtergezogen. Zu dem Zeitpunkt habe ich aber schon nach einer Selbsthilfegruppe gesucht. Mir war schnell klar: Wenn ich jetzt nicht irgendwo Hilfe bekomme, gehe ich an der Situation kaputt.

Als ich das erste Mal die Selbsthilfegruppe besucht habe, lag ich quasi am Boden. Ich habe fast nur geheult. Die Gruppe hat mich ernst genommen, ich fühlte mich gut aufgenommen und sofort verstanden. Dies hat mich von Mal zu Mal gestärkt. Es gab kein Patentrezept für mich und meine Situation, aber die Gruppe hat mich aus der Hilflosigkeit rausgeholt, sodass ich mit der Situation zu Hause besser umgehen konnte. Zu der Zeit wurde es bei uns sogar noch schlimmer. Ich habe dann aufgrund der Gespräche in der Gruppe geschafft, die Polizei einzuschalten, wenn meine Tochter mir Gewalt angetan hatte. Dadurch ist die Situation dann nicht noch weiter eskaliert. Im Nachhinein hat sich herausgestellt: Die einzige Hilfe, die ich wirklich bekommen habe, war in der Selbsthilfegruppe. Weder in der Drogenberatung noch in der Frauenberatungsstelle oder beim Jugendamt konnte man mir helfen.

Inzwischen ist es so, dass meine Tochter ihre eigene Wohnung hat, aber auch schon vorher die Gewalt mir gegenüber abgenommen hat. Sie nimmt wohl weiterhin Drogen, schafft es aber, ihr Leben in den Griff zu bekommen.

Sprechblasenlinie fragEltern

Mutter (50)

Eltern- und Angehörigenkreise sind eine Säule im Suchthilfesystem

Suchtberatung: Unsere Beratungsstellen im Kreis Soest stehen offen für alle Personen im Kontext zum Thema „Sucht“. Wir beraten betroffene suchterkrankte Personen jeden Alters wie auch Angehörige in ihrem eigenen Tempo und ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend. Die Selbstbestimmung des Einzelnen ist eine der Grundlagen unserer Beratungsarbeit. Uns ist bewusst, dass diese Haltung oft nicht den Bedürfnissen und der Erwartungshaltung der Eltern suchtkranker Kinder und Angehörigen in höchster Not entspricht. Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, im gegenseitigen Austausch zu bleiben, Perspektiven zu wechseln und voneinander zu partizipieren. Ein Eltern- und Angehörigenkreis ermöglicht Erfahrungsaustausch, Vernetzung sowie Unterstützung auf komplett anderen Ebenen, als Suchtberatung dies leisten kann, und ist eine der Säulen im Suchthilfesystem. Den Auftakt der Lesereise des ARWED e.V. haben wir daher gerne in unserem Haus in Soest ermöglicht und in Kooperation mit der Kiss des Kreis Soest begleitet. Gemeinsam mit der Kiss und Eltern suchtkranker Kinder, die wir bereits über einen langen Zeitraum beraten und begleiten, ist eine neue Selbsthilfegruppe bzw. ein Elternkreis in der Gründungsphase. Der Wunsch, einen Eltern- und Angehörigenkreis in Soest zu installieren, ist nun Realität. Die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen werden die Suchthilfe im Kreis Soest bereichern und das Hilfenetzwerk erweitern. Wir freuen uns auch weiterhin, mit Ihnen als ARWED e.V. im Austausch zu bleiben und Teil Ihres Netzwerks für unsere gemeinsamen Ziele und Visionen zu sein.

Sprechblasenlinie fragEltern

Stefanie Gernhold, Diakonie Ruhr-Hellweg e.V. – Leitung

Der Austausch ist genauso wichtig wie das gemeinsame Lachen

Der Elternkreis bedeutet für uns, dass wir nicht allein mit unseren Sorgen sind. Wir können uns austauschen und verstehen uns gegenseitig. Nachdem viele von uns Sucht als Tabuthema im Familien- und Freundeskreis erlebt haben, spielen Austausch und Verständnis eine große Rolle. Genauso wichtig ist es aber auch, gemeinsam zu lachen!

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Elternkreisleitung „Grenzenlos“, Bünde

Wir brauchen Ihre Unterstützung

Wir von fragEltern setzen uns ehrenamtlich und mit Herzblut für Verständnis und Unterstützung im Bereich Drogensucht ein. Wichtige Projekte, wie zum Beispiel unsere öffentlichen Kampagnen, unsere Arbeit des politischen Einmischens oder eigene Evaluierungen und Veröffentlichungen sind aber sehr aufwendig und erfordern entsprechende Mittel. Die uns in der Selbsthilfe zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten für unsere Initiative reichen dafür leider nicht aus.

Ihre Spende ermöglicht es uns, weiterhin aus unserer Elternperspektive aufzuklären, Orientierung zu bieten und politische Forderungen für eine verbesserte Versorgung einzubringen. Jeder Beitrag bringt uns einen Schritt näher zu einer Gesellschaft, die Familien in dieser herausfordernden Situation stärkt und unterstützt.

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Vielen Dank für Ihre Solidarität!